Nachlese: Benefizkonzert in der Klosterkirche

Benefizkonzert des Kammerchor St. Jacobi am 5. Juni 2016

Der Kammerchor St. Jacobi mit seinem Leiter Stefan Kordes war gekommen, um dem Kirch-Bauverein, ganz im Sinne des alten Worts Beneficium, Gutes zu tun. Das gelang ihm glänzend, denn trotz dunkler Regenwolken am Nachmittag hatten sich viele Gäste auf den Weg gemacht. Kurz vor sechs gab es kaum noch freie Plätze. Das Konzert mit seinem außergewöhnlichen Programm beginnt verheißungsvoll: Die Soprane stimmen Kyrie und Gloria aus der Messe für zwei Chöre von Frank Martin an, ein sanft schwebender Anruf, der aufsteigt und dann von den tieferen Lagen der Männerstimmen erwidert wird. Nach einer großen Steigerung zu einem flehentlichen Kyrie des vollen Chors klingt der erste Satz leise aus. Schritt für Schritt aufwärts, wie auf einer Himmelsleiter, die in strahlende Höhen führt, eröffnen Frauen- und Männerstimmen im Wechsel das Gloria. Eingebettet in diesen wunderbaren Satz ist ein Agnus Dei mit einer großen Spannweite von schlichtem Gebetston bis zu leuchtender Hymnik. Frank Martins Messe stammt aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, ist in der Klangsprache aber eher spätromantisch als modern.

Hugo Wolf ist mit zwei Gesängen nach Eichendorff vertreten. Besonders der zweite mit dem Titel Resignation („Komm, Trost der Welt, du stille Nacht“) ist sehr bewegend. Wolf, Zeitgenosse des späten Richard Wagner und dessen glühender Bewunderer, setzt die betörenden Harmonien seines Idols in seiner Liedkunst ein. Die Interpretation des Chors ist sowohl der schwelgerischen Klangpracht der Melodie als auch dem verhaltenen Abschiedsschmerz der Gedichtaussage verpflichtet und erzielt gerade dadurch Wirkungen, die in ihrer emotionalen Kraft ein berückendes Hörerlebnis bieten.

Von Max Reger, dessen 100. Todestag wir in diesem Jahr feiern, hören wir vier geistliche Gesänge, darunter eine Motette von Matthias Claudius („Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit“) und – als vielleicht schönstes dieses Quartetts – ein Stück eines unbekannten Dichters mit dem Titel „Unser lieben Frauen Traum“. Stefan Kordes erläutert in seiner Moderation, dass Reger über den Korrekturen an diesen Kompositionen verstorben ist. Mit diesem Wissen sind diese eher einfachen homophonen Chorsätze, die gerade in ihrer Schlichtheit berühren und vom Chor auch ganz in diesem Geist ausgelegt werden, besonders bewegend.

Ergänzt wird das Chorprogramm durch das Orgelspiel von Ilsabe Fulda. Sie spielt ein altes schwedisches Kirchenlied des Komponisten Oskar Lindberg, und dieses Stück hat eine so volkstümlich anheimelnde Melodie, dass man meint, in einer alten Dorfkirche inmitten schwedischer Holzhäuser zu sitzen. Das Largo aus dem Cembalokonzert BWV 1056 von Johann Sebastian Bach, eigentlich komponiert für Streicher und Soloinstrument, verliert auch in der Bearbeitung für Orgel nichts von seinem wiegenden Charme. Der Satz ist ein Siciliano, die weit ausgesponnene elegische Melodie steigt auf und ab über einem immer gleichbleibenden Rhythmus, der an den leichten Dreivierteltakt eines langsamen Walzers erinnert.

Ein weiterer Höhepunkt des Abends (nach Martins Messe) stammt dann ebenfalls von Bach, es ist die Motette „Fürchte dich nicht“ für Doppelchor, ein Werk voll barocker Klangpracht und lautmalerischer Satzkunst. Wie These und Begründung werden die Zeilen „Fürchte dich nicht“ und „Ich bin bei dir“ von den beiden Teilen des Doppelchors gleichsam hin- und hergeworfen, variiert, mit anderen Textzeilen kombiniert und schließlich, nach strahlenden, von den Sopranen dominierten choralartigen Partien, am Ende in den vom ganzen Chor getragenen Ruf geführt: „Fürchte dich nicht, du bist mein“. Eine wunderbare Interpretation!

Nach ausdauerndem Applaus hält der Chor noch eine Zugabe bereit: Das Exultate Deo von Francis Poulenc, das modernste Stück dieses Abends und in seinen Ansprüchen an die Hörbereitschaft vielleicht auch anspruchsvollste.

Wir freuen uns auf weitere Künstler dieser Qualität, die dem Kirch-Bauverein Gutes tun!

Frank-Michael Wohlers