Nachlese: Es muss Freiheit geben – Vortrag von Professor Otte

Am Dienstag, 28. November 2017, war Professor Dr. Hans Otte in der Christophoruskirche mit einem spannenden Vortrag zu Gast. Unter dem Titel „Es muss Freiheit geben – Die Einführung der Reformation im Calenberger Land“ sprach er über die Umwälzungen, die in Wittenberg im Oktober 1517 ihren Anfang genommen und sich auch bei uns in Südniedersachsen ausgebreitet haben.

Professor Otte, langjähriger Leiter des Kirchenarchivs Hannover und profunder Kenner der Kirchenhistorie, stellte zunächst im Überblick die frühen Anliegen der Reformation heraus, darunter die wichtige Forderung der sola scriptura, was bedeutet: Allein die Heilige Schrift und ihr Wortlaut ohne die Interpretation des Klerikers.

Die Volksbildung war für die Reformation von erheblicher Tragweite. Die Menschen sollten unterrichtet werden, damit sie lesen und schreiben konnten. Aus diesem Impuls entsprang auch Luthers Vorhaben der Bibelübersetzung 1521. Es war das Bestreben, jedem Einzelnen die Schrift in seiner eigenen Sprache nahezubringen. Problematisch sind die unterschiedlichen Sprachregionen. Das Mittelhochdeutsch der Leipziger Kanzleisprache wird im Norden (und auch in unseren Breiten, in den damaligen Regionen Calenberg und Grubenhagen) nicht verstanden, deshalb erscheint hier schon 1533 (ein Jahr vor Luthers Komplettübersetzung) eine mittelniederdeutsche Bibel. Sie wird herausgegeben von Johannes Bugenhagen, einem engen Gefolgsmann Luthers, der nach Studien in Wittenberg 1528 in Braunschweig eine niederdeutsche Kirchenordnung verfasst und damit noch im selben Jahr in der Stadt die Reformation begründet.

Hannoveraner im Publikum machten lange Gesichter, als sie hören mussten, dass die heutige Landeshauptstadt zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine wenig bedeutende Kleinstadt war. Wichtige Städte der Region waren zu dieser Zeit, wegen ihres Rangs als Handelsplatz, Braunschweig und Goslar. Aber auch das weltliche Geschehen (das naturgemäß mit dem theologischen eng verzahnt ist) schildert Prof. Otte uns farbig und spannend.

Wir hören von politischen Zwistigkeiten in unseren Regionen, wie etwa der Hildesheimer Stiftsfehde in den Jahren 1519 bis 1523 und zugleich vom Anteil der großen Weltpolitik daran, denn mit Kaiser Karl V., dem Habsburger, und Franz I. von Frankreich sind auch damalige Großmächte als Bündnispartner mit involviert. Und Otte stellt uns natürlich Elisabeth von Calenberg vor, die in ihrem Fürstentum in den Jahren 1540–1545 die Reformation durchsetzt.

Bereits 1542 wurde die Calenberger Kirchenordnung für ganz Calenberg-Göttingen verfasst. Schon im Jahr 1528 ist in St. Jacobi in Göttingen lutherisch gepredigt worden, und ein Jahr später, während einer Prozession am 24. August, kam es zu einer Gegendemonstration der Reformationsanhänger, zum großen Teil Wollenweber, die lautstark alle Prozessionsmusik mit Lutherliedern übertönten.

Anton Corvinus, ein weiterer Luther-Vertrauter, wirkte in Goslar, Witzenhausen, Northeim und anderen Orten unserer Region. Die Reformation war nun nicht mehr aufzuhalten. Ein großer Gemeinschaftskelch, der sich als Spende zu Beginn der sich ausbreitenden Reformation an die hannoversche Marktkirche erhalten hat, bezeugt das neue Gemeinschaftserlebnis: Die Teilhabe am Blut Christi gilt nun allen Gläubigen. Zuvor hatten die Laien auf den Wein verzichten müssen, den nahm allein der Prediger für sich am Altar, weshalb die Kelche dieser Zeit klein waren.

Unter dem Bildmaterial, mit dem Prof. Otte seinen Vortrag illustrierte, war ein Cranach-Bild sehr eindrucksvoll: Luther, in der Mitte predigend auf der Kanzel, links von ihm der Höllenschlund, der die Ungläubigen verschlingt, und rechts (mit dem Arm deutet Luther darauf) das Kreuz Christi, unter dem wir gerettet sind. Ein kraftvolles Sinnbild für das, wofür seine Theologie steht.

80 Minuten in freier Rede – ein lebendiger Hörgenuss, für den Professor Otte mit herzlichem Applaus verabschiedet wird.

Frank-Michael Wohlers